908 Der Riese von Hilten

Grafschafter Geschichten

Der Riese von Hilten

Zwischen Uelsen und Neuenhaus hauste vor langer Zeit ein friedlicher, aber schrecklich aussehender Riese. Er wurde von den Bauern der Gegend Hunold genannt. Seine Schlafkuhle, die er mit 13 Ochsenfellen ausgekleidet hatte, lag inmitten der “Neegen Barge”.


Diese neun Berge, die allerdings nur Hügel von geringer Höhe sind, sollen dadurch entstanden sein, dass Hunold eines Tages neun befreundete Riesen aus der Niedergrafschaft und aus Holland eingeladen hatte. Bevor sie den Schlafplatz betraten, mussten sie zunächst den Sand aus ihren Holzschuhen kippen. Der Sand türmte sich dann zu mehreren Hügeln auf.


Die meisten Menschen hatten Angst vor der gewaltigen Kraft und Größe des Riesen, doch sie lebten friedlich mit ihm und sie stellten ihm regelmäßig ein Fass mit Honigwein und gebratenes Ochsenfleisch hin. Nur mancher junge Bursche machte sich einen Spaß daraus, Hunold aufzuschrecken und ihm verächtliche Worte zuzurufen. Doch meistens lachte Hunold nur dröhnend, denn er war gutmütig und überdies ein wenig schwerhörig.


Eines Tages ließ sich der junge Bauer Arndt Egberink aus Hardingen mit zwei Freunden an einem der Hügel der “Neegen Barge” ins Gras fallen. Sie hatten einen Wolf verfolgt und endlich erlegt, der eines der Egberinkschen Schafe gerissen hatte. Übermütig riefen sie laut nach Hunold, denn sie meinten, er sei nicht zu Hause. Schon bald fielen Schimpfworte der übelsten Art. Arndt hetzte seinen Hund ins Gebüsch.


“Such ihn,” rief er. “Such ihn und pack ihn, den ...!”


Doch bevor er noch eine seiner schlimmsten Beleidigungen ausstoßen konnte, fauchte und schnaufte es in der Nähe und eine Donnerstimme brüllte: “Ick kumm! De Äckse krapp ick ut de Grund, dann wahr’ die, Arndt, dann wahr’ die, Hund! Ick bin nich Mensch, ick bin ginn Dier. Ick bin een gläunig Ungedier!”


Hunold war rasend vor Wut. Arndt begann zu laufen, der Hund vorneweg. Während die Gefährten sich verstecken konnten, liefen Arndt und sein Hund um ihr Leben, denn Hunold war bis aufs Blut gereizt. In seiner mächtigen Faust blitzte die blanke Axt, Fetzen aus Kuhfell flatterten um seinen behaarten Körper. Immer näher kam er den Fliehenden, die sich dem Egberinkschen Hof näherten.


Mit letzter Kraft erreichte Arndt das Hoftor. Der Hund war längst verschwunden. Hunold prallte in seiner Wut gegen das massive Tor und stürzte. Noch im Fallen warf er seine Axt nach dem jungen Bauern, doch diese blieb im Seitenpfosten des Fachwerkhauses stecken.


Da er Arndt nirgends mehr entdecken konnte, schüttelte er drohend die Faust, stieß schreckliche Flüche aus und trollte sich dann doch wieder von dannen. 


Arndt Egberink hat nie wieder einen Mitmenschen beleidigt.

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