916 Die goldene Wiege von Uelsen

Grafschafter Geschichten

Die goldene Wiege von Uelsen

Wieder einmal tobte der Krieg. Grobe Landsknechte fielen über Dörfer und Höfe her, plünderten, raubten und bedrohten Menschen mit dem Tode. Sie schreckten vor nichts zurück, nicht einmal vor den Kirchen.


Der Pfarrer von Uelsen war in großer Sorge. Wenn die fremden Soldaten wirklich in seine Kirche eindrangen, würden sie mit Sicherheit den größten Schatz des Uelsener Gotteshauses entdecken. Seit Jahrhunderten stand auf dem Altar eine Kinderwiege aus purem Gold. Darin lag eine kleine, zierliche Holzfigur, die Jesus als Kind darstellte.


So lange die Wiege in der Kirche stand, brauchte man im Dorf nichts zu befürchten. Das Glück stand den Menschen zur Seite und alles ging wie von selbst. Jedes Jahr, kurz vor Weihnachten, verschwanden die Wiege und das Christkind dann auf geheimnisvolle Weise. Die Bewohner des Ortes verfielen in tiefe Trauer.


Doch sie wussten, was zu tun war. Sie schulterten Hacke und Spaten und begaben sich auf die Suche. Sie gruben in den Hügeln rund um Uelsen, bis jemand den Schatz wieder gefunden hatte. Dann wurde er am Weihnachtstag in einem feierlichen Zug zur Kirche zurück gebracht. Damit war das Glück der Uelsener Bevölkerung ein weiteres Jahr gesichert.


Doch nun bestand die Gefahr, dass die goldene Wiege von Soldaten geraubt und verschleppt wurde. Der Pfarrer schlich sich deshalb abends heimlich in die Kirche, verbarg die Wiege und das Kind unter seinem langen Mantel und vergrub beide an einem gut versteckten Ort.


Die Landsknechte zogen weiter, als nichts mehr zu rauben und zu plündern war. Doch kurze Zeit später brach die Pest aus. Sie forderte viele Opfer. Auch der Pfarrer starb an der schlimmen Seuche, ohne das Versteck der goldenen Wiege preis gegeben zu haben. Man wusste, dass er sie versteckt hatte, aber niemand kannte den Ort. So oft man auch grub, die Wiege wurde nicht mehr gefunden.


Da trösteten sich die Menschen damit, dass einmal ein Kind kommen und den Schatz heben werde. Dann sollte auch das Glück wieder in das Dorf zurück kehren. Bis dahin blieb ihnen nur die Hoffnung und sie gewannen langsam die Erkenntnis, dass man für sein Glück selber sorgen muss, auch wenn es oft unvollkommen bleibt.

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