803 Raseneisenerz

Ein Raseneisenstein in Wietmarschen - Bild: Helmut Lensing

Die Verarbeitung von Raseneisenerz



Im vorletzten Jahrhundert begann auch in Deutschland das Zeitalter der  Industrialisierung. 1835 wurde die erste Eisenbahnlinie von Nürnberg nach Fürth in Betrieb genommen. Mit der Eisenbahn ließen sich große Mengen an Gütern über weite Entfernungen transportieren und Menschen konnten nun viel bequemer und schneller reisen.


So entstanden überall in Deutschland neue Eisenbahnlinien und neue Fabriken produzierten Güter, die schnell zu Kunden gebracht werden konnten. Für Lokomotiven, Waggons, Gleise und Brücken brauchte man Eisen. Und man benötigte Kohle, um Eisen herzustellen.


In Wietmarschen wurde 1854 die "Alexishütte" errichtet. Es wurde Raseneisenerz verarbeitet, das man hier in größeren Mengen fand. Raseneisenerz wurde aus dem Raseneisenstein gewonnen. Dieses Gestein bildete sich nach der letzten Eiszeit. Sand, Ton, Kies oder Torf vermengte sich mit stark eisenhaltigem Wasser und wurde durch das Gewicht  von Ablagerungen zu Stein gepresst.


In der Alexishütte wurde aus dem Raseneisenstein das Eisen herausgelöst. Man benannte die Hütte nach dem damaligen Fürsten Alexis von Bentheim und Steinfurt. Zunächst stellte man Öfen, Ofenplatten, Eisenfenster und dergleichen her, später wurde vornehmlich Roheisen verkauft. Im Jahr 1861 wurden zum Beispiel 32.260 Zentner Roheisen produziert. In den folgenden Jahren sank diese Menge jedoch beträchtlich.

In der Alexishütte arbeiteten zeitweise mehr als 240 Männer. Einige bauten das Raseneisenerz ab, andere produzierten Holzkohle oder Torfkohle, wieder andere waren in der Eisenproduktion tätig oder arbeiteten als Handwerker. Aus Wietmarschen selbst stammte nur ein geringer Teil der Arbeitskräfte, Holzarbeiter und Köhler zum Beispiel zogen aus Thüringen hierher. Für so viele Menschen war gar kein Wohnraum in Wietmarschen vorhanden, weshalb einige lange Wege auf sich nahmen, wenn sie keine Unterkunft in eilig hochgezogenen Gemeinschaftsquartieren „auf der Hütte“ fanden.


Bereits 1863 ging die Alexishütte in Konkurs. Dies hatte mehrere Ursachen. Ein wichtiger Grund war die ungünstige Verkehrslage. Die Hütte verfügte über keinen direkten Anschluss an die Eisenbahn oder an einen Wasserweg. So entstanden hohe Transportkosten, um Kalk für den Hochofen anzufahren und das produzierte Eisen zu den Kunden zu bringen. Mit Fuhrwerken musste alles vom Bahnhof in Elbergen nach Wietmarschen und von Wietmarschen nach Elbergen transportiert werden.


Darüber hinaus war das Eisen aus dem hier benutzten Raseneisenerz relativ spröde, schwerer schmiedbar und nicht überall einzusetzen. Daher musste dem Raseneisen Schrott oder englisches Roheisen beigefügt werden, um dessen Eigenschaften zu verbessern. Dies verursachte neue Kosten. Darüber hinaus war es zu einem starken Preisrückgang für Eisen gekommen.


Doch neue Geldgeber sprangen ein, die Produktion wurde wieder aufgenommen. 1870 produzierte die Hütte 10.000 Zentner Eisen und die Hüttengesellschaft wurde an die Hamburger Firma „S. Elkan & Co.“ verkauft. 1873 stieg die Produktion auf 106.333 Zentner Eisen an. Um die hohen Transportkosten zu senken, wurde eine Pferdebahn bis zum Bahnhof Elbergen gebaut. Pferde zogen Waggons, die auf Schienen liefen.


Doch dann sanken der Preis für Eisen und die Nachfrage nach Eisen erneut. Die Alexishütte war trotz der neuen Pferdebahn nicht mehr konkurrenzfähig. So stellte die Hütte im April 1874 ihren Betrieb in Wietmarschen endgültig ein. Das Gebäude der Hütte wurde Jahre später ein Raub der Flammen. Zurück blieb ein Berg von Schlacke, den Überresten der Eisenherstellung. Die Schlacke fand später Verwendung im Straßenbau.


Auf dem Gelände dieses „Schlackeberges“ entstand Anfang der 1960er Jahre die Neubausiedlung „Schlackenbölt“. Der Straßenname „An der Alexishütte“ erinnert ebenfalls noch an die alte Zeit. Und in Wietmarschen hat man den „Urbrekern" ein Denkmal gesetzt. So nannte man die Arbeiter, die das Raseneisenerz abbauten.

Der Rohstoff Raseneisenerz wurde sogar noch bis in die 1960er Jahre gewonnen, ins Ruhrgebiet transportiert und dort weiter verarbeitet.

Denkmal des "Urbrekers" in Wietmarschen - Bild: GBiU
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