904 Das wilde Fohlen von Gildehaus

Grafschafter Geschichten

Das wilde Fohlen von Gildehaus

Zufrieden brummelnd verließ der Mann eine Gaststätte in Gildehaus. Er hatte gefeiert, reichlich gegessen und auch ein wenig zu viel getrunken. Die Geschäfte, die er an diesem Tag abgeschlossen hatte, waren sehr erfolgreich. Er hatte mehrere gebrauchte Autos an Kunden verkauft.


Er hatte zwar den Zustand der Fahrzeuge beschönigt, die Kilometerstände manipuliert und einen Unfallschaden durch eine neue Lackierung überdeckt. Aber das hatte er nicht zum ersten Mal gemacht, und deshalb hatte er kein schlechtes Gewissen.


Vom Turm der Kirche schlug es Mitternacht. Plötzlich hörte er das Trappeln von Pferdehufen, das sich schnell näherte. Erstaunt drehte er sich um. Da sah er ein junges Pferd, ein Fohlen fast noch, das direkt auf ihn zu galoppierte. Er wollte ausweichen, doch eine geheimnisvolle Kraft machte es ihm unmöglich, sich zu bewegen. Mehr noch, plötzlich fühlte er sich hoch gehoben und fand sich auf dem Rücken des wilden Fohlens wieder.


Mit großen Sätzen sprang das Pferd davon. Der Mann hatte Mühe, sich in der Mähne festzuhalten. Es gab keinen Sattel und kein Zaumzeug. Das Tier sprang mit ihm über Büsche und Hecken, ein Ast riss ihm den Mantel auf, über steile Abhänge ging es und über die felsigen Klippen in den Gildehauser Steinbrüchen. Der Mann zitterte und bebte, er erlitt Todesängste, doch niemand hörte sein Flehen und bittendes Rufen.


Erst als nach mehreren Stunden die ersten Hahnenschreie zu hören waren, endete der höllische Ritt abrupt. Genau an der Stelle, an der es seinen unfreiwilligen Reiter aufgenommen hatte, setzte ihn das wilde Fohlen wieder ab. Als sich der Mann in Schweiß gebadet umblickte, war es bereits spurlos in der Morgendämmerung verschwunden.


Später erfuhr der Kaufmann, dass dies nicht zu ersten Mal passiert war. Schon häufiger waren Menschen, die andere bestohlen und betrogen hatten, die gern Beleidigungen oder Unwahrheiten verbreiteten, um Mitternacht vom wilden Fohlen von Gildehaus zu einem gefährlichen Ritt entführt worden. Aus guten Gründen hatten sie jedoch anschließend kaum darüber geredet. 

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